Kann man noch mit Optimismus in die Zukunft blicken? Kriege, Hungersnöte, Terror, Unterdrückung, Verletzung von Menschenrechten… Aber auch: mehr Wohlstand, weniger Kindersterblichkeit, Trinkwasser. Und trotz allem Wohlstand (in Europa oder Nordamerika) sind viele Menschen dennoch unglücklich oder unzufrieden. Sie sind einsam und ihr Leben scheint wenig Sinn zu machen.
Mit unserer Gesellschaft ist etwas grundsätzlich nicht in Ordnung. Johannes Hartl ist nicht der erste, der dies diagnostiziert. Doch einer der wenigen Autoren heute, der die Schwarzmalerei nicht mitmacht und mit großem Tiefgang eine Gegenposition entwirft. Sein Buch ist ein Buch der Hoffnung.
Auf welche Zukunft wollen wir bauen? Menschen sind und haben etwas, das Maschinen nie werden haben können – das Menschliche. Es gibt Ressourcen des Menschlichen, deren Zerstörung mindestens genauso gefährlich ist, wie der Klimawandel. Deshalb brauchen wir nach Hartl eine neue Ökologie, eine Ökologie des Herzens.
Um dem Geheimnis des gelingenden Lebens auf die Spur zu kommen, entführt Hartl seine Leser regelmäßig in seinen kleinen Garten am Rande der Stadt… oder in der Erinnerung an den großen Garten seiner Kindertage. Die Verbundenheit mit der Natur bringt den Menschen zu seinem letzten Ursprung, den Garten Eden, lässt ihn Ruhe und Erholung finden. Für den Gründer des Augsburger Gebetshauses gibt es drei zentrale Nährstoffe, die den Garten des Menschlichen vital halten:
– Verbundenheit
– Sinnorientierung und
– Schönheit
Hartl beleuchtet die drei Geheimnisse für ein gelungenes menschliches Leben anhand relevanter Forschungsergebnisse aus Psychologie und Philosophie. Aber auch diese Geheimnisse sind bedroht und müssen wieder entdeckt werden.
Unter Sozialwissenschaftlern besteht großer Konsens darüber, dass Bindung und Verbundenheit (vor allem in früher Kindheit) die Grundlage emotionaler Gesundheit sind. Gelingendes Leben ist untrennbar mit der Verbundenheit zu anderen Menschen, zu sich selbst und zu Gott. Bewegt sich ein Mensch sicher innerhalb dieses dreifachen Koordinatensystems, kann sein Leben gelingen. Hier sieht Hartl ein zentrales Geheimnis des Menschseins. Ausführlich stellt er dar, wie sich fehlende Verbundenheit heute zu einer regelrechten Bindungskatastrophe ausgeweitet hat. Vielen Menschen fehle ein „sense of belonging“ (S. 47), das Gefühl, etwa bei der Arbeit dazuzugehören. Die Folge ist nicht selten extreme Einsamkeit. Über die sozialen Medien sind wir vernetzter denn je, dennoch mangele es an Mitgefühl und der Bereitschaft, andere zu verstehen. Soziale Kälte wächst.
Da es anscheinend keinen Bereich der emotionalen Gesundheit gibt, der nicht mit dem Thema Verbundenheit zu tun hätte, geht Hartl diesem Aspekt noch weiter nach und identifiziert Feinde der Verbundenheit wie der Selbstoptimierungskult, die Schnelllebigkeit der Arbeits- und Freizeitwelt oder auch den Verlust an Sensualität oder körperlicher Nähe. Hartl prophezeit, dass emotionale Stabilität eine der Kernkompetenzen der Zukunft sein wird und zeigt auch Wege auf, wie diese neu errungen werden kann.
Eine weitere Herzensressource, die Hartl aufspürt, ist der Sinn des Lebens. Der moderne Mensch zeichne sich durch metaphysiche Heimatlosigkeit aus (s. 116). Manche Menschen werden durch einen Schicksalsschlag oder eine Krankheit, Trennung ganz plötzlich mit der Sinnfrage konfrontiert. Je nach psychischer oder physischer Verfassung kann sich ein Gefühl von Sinnlosigkeit ergeben und zu seiner schweren psychischen Krise werden. Um den eigenen Lebenssinn muss jeder Mensch immer wieder neu ringen, sich dafür auch Freiräume schaffen, ihn aufzuspüren. Unsere Kultur der Ablenkung (S. 142) macht es gerade jungen Menschen nicht leicht, innere Freiräume für die Sinnfindung zu schaffen.
Das dritte Geheimnis, mit dem wir wieder zu unserer inneren Stabilität und Lebensfreude finden werden, ist die Schönheit. Doch ist Schönheit oder Ästhetik lediglich eine Frage des Geschmacks oder lassen sich auch objektive Kriterien dafür ausmachen? Wenn ja wie? Mit Worten einer befreundeten Architektin Anna erklärt Hartl, dass „Schönheit ist ein Ort, den man nicht mehr verlassen möchte“ (S. 199). Schönheit könne man nicht definieren. Ebenso die Wahrheit, das Gute oder das Sein… so sei der Begriff der Schönheit so grundlegend für unser Denken.
Hartl nimmt den aufmerksamen Leser mit auf eine Reise durch die Philosophie- und Kunstgeschichte um zu erläutern, warum das Schöne nicht mehr in die Kultur des 20. Jahrhunderts oder gar unserer Zeit der Postmoderne zu passen scheint. Der Kult des Funktionalen und unsere Wegwerfkultur haben den Blick auf das Schöne verzerrt.
Schließlich, so resümiert der Autor selbst, handle das ganze Buch von den Nährstoffen, die den Garten Eden des Menschlichen ausmachen: Verbundenheit, Sinn und Schönheit. Hartl legt die drei Geheimnisse nebeneinander und findet, dass es eigentlich um ein Nachhausekommen, um Heimkommen geht. Wo immer wir Verbundenheit spüren und von Sinn und Schönheit umgeben sind, sagt das Innere spontan: „Für so einen Ort bin ich gemacht, hier fühle ich mich wohl“. (S. 258)
Eine mehr als lohnenswerte Lektüre voller tiefer Einsichten in die großen Zusammenhänge des Lebens, der Kultur und unserer Gesellschaft.