Der mühsame Aufbau einer christlichen Gegenkultur

Was müssten Christen an ihrem derzeitigen Lebensstil ändern, damit auch die nachfolgenden Generationen noch eine vom christlichen Geist geprägte Gesellschaft vorfinden? Ist es dafür gar schon zu spät? Leben wir nicht bereits in einer säkularisierten post-christlichen Kultur? Das Buch des amerikanischen Publizisten Rod Dreher ist in den letzten Monaten intensiv in den Medien besprochen worden, die Times sieht in der „Benedict Option“ das wichtigste religiöse Buch dieser Dekade. Jetzt ist es auch auf Deutsch verfügbar.

Er plädiert kurz gesagt dafür, dass sich die Christen auf das Ideal einer benediktinischen Lebensweise rückbesinnen sollten: Gebet, Askese und ein soziales Umfeld, das das Leben einer Familie oder einer Gemeinschaft auf Gott ausgerichtet hält. Dies nicht, um nur selber wie auf einer einsamen Insel zu überleben. Vielmehr gilt es die eigenen Ressourcen zu stärken, um damit wieder eine christliche Gesellschaft von innen her aufzubauen. Vorbild ist ihm das Volk Israel, das nach Babylon verschleppt wurde und sich nicht an die heidnische Umgebung angepasst hatte, sondern den Glauben bewahren konnte.
Die Gründe für die Glaubensferne so vieler Menschen heute reichen weit in die Vergangenheit. Dreher beschreibt wie das durch den Schöpfungsgedanken geprägte mittelalterliche Weltbild langsam ins Wanken geriet und den Menschen immer mehr von Gott entfernt hat. In Anlehnung an Charles Taylor identifiziert Dreher drei Säulen des metaphysischen Realismus, der das Weltbild des mittelalterlichen Menschen stützte:

  • Die Welt und alles in ihr ist Teil einer harmonischen Ordnung, die von Gott geschaffen und in allem auf ihn hin ausgerichtet ist
  • Die Gesellschaft hat ihr Fundament in einer höheren Ordnung
  • Die Welt ist mit einer geistigen Kraft durchdrungen

Der moderne Mensch habe die Beziehung zu Gott, zur Schöpfung und zum Nächsten verloren oder ist darin gestört. Die Entfremdung von der Natur und die Fragmentierung des Daseins charakterisierten das Lebensgefühl des heutigen Menschen. Soweit das ernüchternde Ergebnis der Suche nach den Ursachen der heutigen Glaubenskrise, die immer auch eine Gotteskrise darstellt.

Das monastische Leben nach den Regeln des heiligen Benedikt hat der Autor mit seinem Aufenthalt im Ursprungskloster in Nursia bewusst selber kennen gelernt. Er beschreibt sehr ausführlich was er dort von den Mönchen gelernt hat. Die enge Verquickung von intensiven Gebets- und Arbeitsleben verbunden mit dem täglichen Studium der heiligen Schrift ist nicht nur für Ordensleute und ihren spirituellen Weg eine Notwendigkeit. Die Stabilität des Wohnortes – Benediktiner bleiben gewöhnlich in dem Kloster, in dem sie eingetreten sind – erleichtert das „Wurzelschlagen“.
Dies steht im krassen Gegensatz zur postmodernen Lebensweise einer geographischen, beruflichen und auch oft sozialen Ungebundenheit. Wiederholt benutzt er dafür den Begriff der „Liquid modernity“ – fließenden Moderne, der an den in der Begrifflichkeit der Gender-Ideologie angelehnten Ausdruck „fließende Identität“ erinnert. Damit gemeint ist ein Ideal, das in der maximalen individuellen Lebensfreude das einzige Lebensziel sieht.

Die Sorge, die Dreher umtreibt, die er durch sein Buch vielen Menschen weiter geben möchte: wenn die heutigen Generationen, die noch Kontakt zum Christlichen haben, aussterben, bzw. den Keim des christlichen Glauben nicht weiter geben, dann werden andere geistige Strömungen diese Lehre füllen, bzw. haben ja schon damit begonnen, sei es im Materialismus oder Hedonismus. Deshalb ist eine Forderung, die Dreher aus seinen Überlegungen zieht, so viel wie möglich in die Erziehung und Bildung von Kindern und jungen Erwachsenen zu investieren. Seien es christliche Schulen oder Universitäten. Doch müssen diese vor allem das Glaubensleben der Schüler und Studenten fördern in Zusammenarbeit mit den Gemeinden an den Orten, wo sie einmal sind. In den USA ist ja im Gegensatz zu Deutschand das Homeschooling nicht verboten. Hierin sieht Dreher eine gute Alternative zu schlechten konfessionell orientieren Schulen, sofern Eltern sich zusammenschließen und keine Mühe scheuen, die das Unterrichten im eigenen Zuhause kosten – erste Voraussetzung hierfür sei, dass es Eltern gibt, also Vater und Mutter, die es sich leisten können, dass einer der beiden Partner zuhause bei den Kindern bleiben kann.

Später sollte es Eltern nicht egal sein, wenn ihre Kinder mal an einer guten Hochschule zum Studium akzeptiert wurden, wie sie diese prägenden Jahre verbringen, d.h. wo und wie sie leben. Es gibt auch studentische Lebensformen in collegeartigen Häusern, die die christliche Lebenspraxis fördern und durch das von guten Gewohnheiten geprägte Gemeinschaftsleben in ihrer Persönlichkeit wachsen.

Hier steht nicht primär zur Debatte, ob die „Benedict Option“ auch für das alte Europa als Lebensideal verwirklicht werden könnte. Noch grundsätzlicher sei gefragt, in wieweit das Ideal der monastischen Lebensweise auf das bewegte Leben vieler beruflich eingespannter christlicher Laien angepasst werden kann. Die Essenz des christlichen Lebens, die persönliche Begegnung mit Gott in den Sakramenten und in der heiligen Schrift, kann das Leben einer Familie, Hausgemeinschaft, Schule oder auch Universität, ja sogar auch eines Wirtschaftsunternehmens prägen. Dazu bedarf es aber einer gut gebildeten christlichen „Elite“: Menschen, die bereit sind, etwas für ihren Glauben und die Werte, zu denen sie stehen, zu opfern. Viele Christen spüren bereits in ihrem beruflichen Umfeld – sei es beispielswese im medizinischen Sektor oder im Schulwesen – dass das Festhalten am unbedingten Wert des Lebens oder der sogenannten „Kernfamilie“ Gründe sind, um ausgegrenzt zu werden.
Ob es schließlich zum Aufblühen einer „christlichen Gegenkultur“ kommen wird, wird von der Großzügigkeit und Glaubenstreue der jetzigen Generation von bekennenden Christen abhängen. Dreher’s Buch richtet sich in erster Linie an das US-amerikanische Publikum. Es ist aber auch für Christen in Europa und hierzulande von Bedeutung, wie der Übersetzer Tobias Klein in seinem Vorwort schreibt (S. 11). Möge das lesenswerte Buch viele Anregungen geben, im eigenen Umfeld kreative Wege zu gehen…

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